Der Geheimnisvolle Brief



Titel Zeit und Inhalt Leseprobe

Auszug aus dem fünften Kapitel "Kalkendorns Verrat"

Das schwache Licht einer Kerze erhellte die kleine Kammer. Die Decke war sehr niedrig, fast wie in einer Bauernstube. Am einzigen Fenster stand ein Mann. Doch er verweilte nur kurz, um gleich darauf unruhig im Zimmer auf und ab zu gehen. Immer wieder durchmaß er die drei Schritte vom Tisch zum Fenster und zurück.
Wenn er nahe dem Tisch stand, für einen Augenblick innehielt, dann beleuchtete die Kerze sein Antlitz. Es zeigte einen aufgewühlten, ängstlichen Kleingeist, mochten auch die feinen Kleider, die er trug, darüber hinwegtäuschen.
Nicht, daß Schrecken und Entsetzen zwischen seinen Augen standen, doch sah er aus wie einer, der in dieser Nacht den Teufel erwartete. Die Züge wirkten angespannt.
Wohl hatte er lange nicht mehr geschlafen. Von Zeit zu Zeit strich er sich das dünne, strähnige Haar aus der Stirn. Die Perücke lag dicht neben der Kerze.

Es klopfte. Der Mann zuckte jäh zusammen. Der Teufel?    "Wer da?" fragte er. Eine ihm wohlvertraute Stimme schien zu antworten. Er öffnete.
"Wie lange wird es noch dauern, Baron? Die Leute sind müde", fragte der Eintretende - vermutlich ein Diener.   "Üb' er sich in Geduld, Meyer. Wenn sie bis zum Morgengrauen nicht kommen, fahren wir zurück nach Dresden."

Da vernahmen sie Hufgetrappel in der Ferne.    "Schnell, geh er zurück auf seinen Platz!"    Der Diener verschwand.
Der andere trat hastig zum Fenster und spähte in die Nacht hinaus. Sollte sein Warten endlich belohnt werden? Im Dunkeln konnte man nichts erkennen. Wer aber sollte sonst zu dieser späten Nacht noch unterwegs sein? Immerhin lag der Ort abseits der großen Straße.